Arbeitskreis Lindauer Weg                          

Trennung und Scheidung sind in den meisten Fällen für Kinder wie für die Eltern mit Erschütterungen und dem Ende vertrauter, wichtiger Beziehungen und Lebensgewohnheiten verbunden. Das Leben bedarf einer Umgestaltung und Neuorientierung. Es müssen Voraussetzungen geschaffen werden, dass insbesondere die betroffenen Kinder neue Sicherheiten entwickeln können. In den allermeisten Fällen gelingt dies den Eltern auch. Aber Schätzungen zufolge nehmen etwa 5-10 % aller Trennungen und Scheidungen einen hochkonflikthaften Verlauf, der in der Regel über Jahre anhält. Vor allem den Kindern wird ein „psychischer Ausnahmezustand“ zugemutet, der für ihre weitere gesunde Entwicklung ein hohes Risiko darstellt und häufig in eine tatsächliche Gefährdung und Schädigung des Kindeswohls mündet. Hochstrittige Eltern verlieren den Blick für ihr Kind und dessen Belastungen. Die Eltern sind selbst in großer Not und oft gefangen in den eigenen Verletzungen und ratlos, wie sie mit den Enttäuschungen umgehen können. In der Folge werden die Kinder bewusst oder unbewusst in die Auseinandersetzung hineingezogen und häufig zur Durchsetzung eigener Interessen instrumentalisiert. Statt dem erhofften Ende des Streits durch die Trennung gibt es jetzt eine neue Form des „Streits ohne Ende“. In dieser komplexen Konfliktsituation brauchen auch die Eltern professionelle Unterstützung, damit sie das Wohl ihrer Kinder wieder in den Blick nehmen können.

In diesem Prozess fallen den am Trennungs- und Scheidungsgeschehen beteiligten Institutionen entscheidende Aufgaben und Mitwirkungsmöglichkeiten zu.

http://www.schwaebische.de/region_artikel,-Damit-Trennungskinder-weniger-leiden-_arid,10317069_toid,441.html

 

So ist der Arbeitskreis „Lindauer Weg“ entstanden mit Teilnehmern des Familiengerichts, der Anwaltschaft, des Jugendamts, der Verfahrensbeistandsschaften und den Psychologischen Beratungsstellen für Ehe-, Familien- und Lebensfragen und für Kinder-, Jugend- und Familienberatung. Es wurden Verfahrensregeln erarbeitet, die zum Ziel haben, möglichst frühzeitig und schnell zu intervenieren, um die Belastungen gering zu halten, durch reduzierten Parteivortrag Vorwürfe und Schuldzuweisungen zu vermeiden (zurückhaltender Vortrag in Schriftsätzen der Anwaltschaft) und soweit dies nicht in früheren Verhandlungen möglich ist durch vertiefende Beratung seitens der Psychologischen Beratungsstellen.

Die Eltern sollen hier in ihrer Erziehungsverantwortung unterstützt werden, damit sie einvernehmliche Lösungen finden können, denn diese sind weitaus tragfähiger und nachhaltiger wirksam als gerichtliche Beschlüsse. Kinder hoffen auf „Frieden“. Sie erleben sich meist als hilfloses Objekt des Geschehens. Daher ist es von großer Bedeutung, sie ausdrücklich als Träger eigener Grundrechte zu sehen und sie altersgemäß und in angemessener Form mit einzubeziehen. Oft haben Kinder konkrete Wünsche und Ideen, die ernst genommen und aufgegriffen werden wollen.

Diese Verfahrensempfehlungen sind trotz der Gesetzesnovellierung des FamFG überaus sinnvoll, denn ungeachtet des gesetzlichen Beschleunigungsgebots in Kindschaftssachen besteht nach wie vor ein dringendes Bedürfnis, im Zusammenwirken aller Professionen in Kindschaftssachen auf eine Deeskalation und eine Konsensfindung hinzuarbeiten.